Xanthos – die stolze Hauptstadt Lykiens

Xanthos
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Versteckt im Süden der heutigen Türkei, eingebettet zwischen Flusslandschaften und schroffen Hügeln, liegt ein Ort, an dem sich Geschichte in Stein gemeißelt hat: Xanthos, die einstige Hauptstadt Lykiens. Was heute als Ruinenfeld wirkt, war einst ein Zentrum von Macht, Kultur und dramatischen Wendungen. Zusammen mit dem nahegelegenen Tempelbezirk Letoon bildete Xanthos das spirituelle und politische Herz des Lykischen Bundes – ein stolzes Volk, das über Jahrhunderte hinweg um seine Unabhängigkeit kämpfte und dabei mehr als einmal bis zum Äußersten ging.

Die Ursprünge Xanthos’ reichen weit zurück, auch wenn archäologische Spuren erst ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. fassbar sind. In der Mythologie taucht der Name des Flusses Xanthos schon bei Homer auf, während der Ort selbst in hethitischen Quellen des 13. Jahrhunderts v. Chr. unter dem Namen Awarna erwähnt wird. Doch die Geschichte, die Xanthos so faszinierend macht, beginnt im Jahr 545 v. Chr. – mit einem Akt kollektiven Widerstands, der bis heute nachhallt. Herodot berichtet von einer tragischen Heldentat: Als der persische Feldherr Harpagos die Stadt belagerte, verbrannten die Lykier ihre eigenen Häuser mitsamt ihren Familien, bevor sie in einem letzten, verzweifelten Ausfall alle ihr Leben ließen. Nur wenige überlebten – ein dramatisches Zeugnis für die Unbeugsamkeit dieses Volkes. Auch wenn moderne Archäologen Zweifel an der vollständigen Historizität dieser Szene haben, bleibt die Geschichte ein Symbol für den Freiheitswillen der Lykier.

Xanthos stand in den Folgejahren immer wieder im Zentrum historischer Umwälzungen. Nach der kurzen, aber glanzvollen Blüte unter persischer Oberhoheit – in der viele der berühmten Grabbauten entstanden – kam Alexander der Große. Wieder heißt es, die Stadt sei zerstört worden, doch auch diese Erzählung bleibt umstritten. Die wahren Zerstörungen kamen später. 42 v. Chr., zur Zeit der römischen Bürgerkriege, als Brutus die Stadt belagerte, soll sich die Tragödie von 545 v. Chr. wiederholt haben: Frauen und Kinder verbrannten in den Häusern, die Männer fielen im Kampf. Auch dieses Mal bleibt unklar, wie viel Legende in der Geschichte steckt. Unzweifelhaft ist jedoch: Xanthos überstand selbst diese dunklen Stunden. Unter römischer Herrschaft wurde sie prachtvoll wiederaufgebaut – mit Theater, Agora und Monumenten, die Respekt vor ihrer Vergangenheit ausstrahlen.

Die Ruinen erzählen noch heute von dieser reichen Vergangenheit. Besonders beeindruckend sind die Grabbauten, wie das berühmte Nereidenmonument, das einst am südlichen Stadteingang stand. Es war mehr als ein Grab – ein Bauwerk von fast überirdischer Eleganz, ein ionischer Tempel auf einem hohen Sockel, geschmückt mit kunstvollen Marmorreifen, auf denen Szenen von Jagden und familiären Ehrungen dargestellt sind. Heute steht es, zusammen mit anderen Relikten aus Xanthos, im British Museum in London. Ebenso legendär ist der sogenannte Harpyienpfeiler, ein Grabmal, das auf einem monolithischen Sockel ruht, verziert mit rätselhaften Reliefs – benannt nach der vermeintlichen Darstellung von Harpyien, Fabelwesen, deren Deutung inzwischen umstritten ist. Es zeigt Szenen, in denen die Ahnen des Verstorbenen Gaben entgegennehmen, und lässt erahnen, welchen Stellenwert Ehre und Herkunft in der lykischen Kultur hatten.

Auch das Alltagsleben wird in den Steinen spürbar. Die Stadt wurde über Jahrhunderte immer wieder umgestaltet, angepasst, verteidigt. In der römischen Zeit wurde das Theater so gebaut, dass ältere Grabpfeiler stehen bleiben konnten – ein Zeichen des Respekts vor der Vergangenheit. Selbst in byzantinischer Zeit, als die Bewohner sich zum Schutz vor Angriffen auf die Akropolis zurückzogen, nutzten sie die alten Mauern und Grabmäler, um neue Festungen zu errichten.

Nicht nur Xanthos selbst, sondern auch sein Umland atmet Geschichte. Zwei Kilometer entfernt liegt Letoon, das spirituelle Zentrum mit Tempeln für Leto, Artemis und Apollon. Der Fluss, einst Lebensader der Stadt, fließt heute als Koca Çayı träge durch das Tal. Überall finden sich Spuren einstiger Städte – Pinara, Tlos, Patara, einst Hafenstadt von Xanthos – ein Netz aus Kultur, Handel und Glauben, das diese Region zu einer der faszinierendsten der Antike machte.

Heute liegen die Tempel und Theater still in der Sonne, überwuchert von Gras, umgeben von Stille. Doch wer genau hinsieht, spürt noch immer die Stimmen der Vergangenheit: von Königen und Kriegern, von stolzen Familien und verzweifelten Heldentaten – und von einem Volk, das bereit war, alles zu opfern, um frei zu bleiben.

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