
Tief im Süden Jordaniens, dort wo sich die Landschaft in rötlich leuchtende Felswände, endlose Dünen und bizarre Formationen verliert, liegt das Wadi Rum – ein Ort, der mehr an ferne Planeten erinnert als an unsere eigene Welt. Eingebettet zwischen der Stadt Akaba im Westen und Maʿan im Norden, erstreckt sich dieses Wadi auf einer Fläche von etwa 100 Kilometern Länge und 60 Kilometern Breite. Es liegt auf rund 800 Metern Höhe, doch seine Berge recken sich noch weiter empor. Der Dschabal Umm ad-Dami, Jordaniens höchster Berg, ragt mit 1832 Metern in den Himmel, dicht gefolgt vom imposanten Dschabal Ram mit seinen 1734 Metern.
Trotz der rauen Bedingungen ist das Wadi Rum ein Ort voller Leben – zumindest für jene, die wissen, wo sie suchen müssen. Die Temperaturen schwanken extrem: Im Sommer klettert das Thermometer tagsüber auf über 37 Grad, während es im Winter nachts empfindlich kühl werden kann. Regen fällt hier nur selten, und wenn, dann meist zwischen Oktober und März. Trotzdem ist das Wadi kein lebloser Ort. Unter dem roten Sandstein fließt kostbares Wasser, das sich durch den porösen Fels seinen Weg bahnt, von einer undurchlässigen Schicht gestoppt und an verschiedenen Stellen wieder an die Oberfläche tritt – genug, um über Jahrtausende hinweg Nomaden anzuziehen.
Geologisch gesehen ist das Wadi Rum Teil eines viel größeren Dramas: dem Great Rift Valley. Diese gigantische Erdspalte, die sich vom Jordantal bis zum Roten Meer zieht, entstand vor rund 30 Millionen Jahren durch tektonische Verschiebungen. Wind, Wasser und Zeit haben seither aus dem roten Sandstein eine faszinierende Kulisse geformt. Besonders eindrucksvoll sind die natürlichen Felsbrücken bei Jabal Burdah und Jabal Kahraz, die wie von Künstlerhand erschaffen wirken.
Doch es ist nicht nur die Natur, die das Wadi Rum so besonders macht – es ist auch die Geschichte. Seit der Steinzeit haben sich hier Menschen niedergelassen, ihre Spuren hinterlassen in Form von Felszeichnungen, Inschriften und Überresten alter Tempel. Zur Zeit der Antike diente das Wadi als Handelsroute ins Römische Reich. Der Name „Rum“ könnte noch aus jener Epoche stammen, als „Rūm“ im Orient für das Imperium Romanum stand.
Besondere Bekanntheit erlangte das Wadi Rum jedoch im 20. Jahrhundert durch den britischen Offizier Thomas Edward Lawrence – besser bekannt als „Lawrence von Arabien“. Während der Arabischen Revolte von 1917 bis 1918 war er hier stationiert. Seine Erlebnisse verarbeitete er in seinem Werk Die sieben Säulen der Weisheit, das nicht nur ein literarisches Denkmal ist, sondern auch das Wadi Rum weltberühmt machte. Spätestens nach dem gleichnamigen Film, in dem die endlosen Weiten und dramatischen Felsen des Wadi Rum als Kulisse dienten, wurde der Ort zum Mythos.
Heute ist das Wadi Rum eines der touristischen Highlights Jordaniens. In kleinen Beduinencamps kann man unter dem Sternenhimmel übernachten, auf Araberpferden durch die Wüste reiten oder mit dem Jeep durch die roten Täler holpern. Die massiven Granit- und Sandsteinfelsen locken Kletterer aus aller Welt an, während Wanderer vor allem die meditative Stille der endlosen Weiten genießen. Der Tourismus ist zur wichtigsten Einnahmequelle der Beduinen geworden, die hier in Zelten oder einfachen Häusern leben. Es gibt Schulen, kleine Läden und sogar eine Polizeistation – ein modernes Dorf inmitten einer uralten Landschaft.
Nicht zuletzt ist das Wadi Rum zu einem Lieblingsmotiv Hollywoods geworden. Wer Filme wie Der Marsianer, Dune oder Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers gesehen hat, kennt die eindrucksvolle Kulisse bereits – selbst wenn er nicht wusste, dass es sich dabei um einen Ort auf der Erde handelt. Das Wadi Rum ist ein Stück Mars, ein Hauch von Ewigkeit, ein Ort, der gleichzeitig fremd und vertraut wirkt. Wer einmal dort war, vergisst ihn nie.