
Weit draußen im wilden Atlantik, etwa zwölf Kilometer vor der irischen Küste Kerrys, erhebt sich ein dramatischer Fels aus dem Meer: Skellig Michael. Schon aus der Ferne wirkt die steile Insel wie aus einer anderen Welt – schroff, geheimnisvoll, fast unwirklich. Was heute wie ein Naturwunder aussieht, war einst Zufluchtsort für eine Handvoll Männer, die alles hinter sich ließen, um in gottverlassener Einsamkeit ihrem Glauben zu folgen.
Bereits im 7. Jahrhundert wagten sich Mönche auf diesen unwirtlichen Felsen, um hier ein Kloster zu gründen – in völliger Abgeschiedenheit, zwischen Sturm und Seevögeln. Sie bauten ihre Behausungen hoch oben am Nordgipfel, etwa 180 Meter über dem Meer, erreichbar nur über 618 aus dem Fels gehauene Stufen. Keine Geländer, kein Schutz – nur der Wind, die schwindelerregende Aussicht und der Glaube. Ihre Behausungen, sogenannte Bienenkorbhütten, waren aus Trockenmauerwerk gebaut, ohne Mörtel, aber widerstandsfähig genug, um über Jahrhunderte der Witterung zu trotzen. Trinkwasser wurde in Zisternen gesammelt, und auf kleinen Gartenbeeten zogen sie Gemüse und Kräuter. Viel ist über das Leben dieser Männer nicht bekannt – doch man nimmt an, dass es zwölf Mönche und ein Abt waren, ein bewusster Verweis auf die zwölf Apostel und Jesus.
In dieser rauen, fast überirdisch wirkenden Umgebung lebten die Mönche jahrzehntelang – abgeschieden, asketisch und gefährdet. 823 kamen die Wikinger, doch die Siedlung überstand den Angriff. Erst im 12. Jahrhundert wurde sie endgültig aufgegeben; die Mönche verließen den Felsen und siedelten ins sicherere Ballinskelligs über. Doch damit endete die Geschichte nicht: Im Spätmittelalter wurde Skellig Michael zum Wallfahrtsort, und bis heute zieht er spirituell und geschichtlich Interessierte in seinen Bann.
Auch die Natur rund um Skellig Michael ist spektakulär: Neben der Hauptinsel liegt Little Skellig – eine kleinere, aber nicht minder beeindruckende Insel, auf der rund 27.000 Basstölpelpaare brüten. Der Felsen darf nicht betreten werden, doch Boote fahren täglich daran vorbei. Wer Glück hat, sieht auch Papageitaucher, die sich besonders im Frühling in den grünen Hängen Skellig Michaels zeigen.
Der Besuch der Insel ist ein Abenteuer für sich. Vom kleinen Hafen Portmagee aus schippern bei gutem Wetter kleine Motorboote hinaus zur Insel. Doch Vorsicht: Das Anlegen ist heikel, der Weg hinauf bleibt schmal und steil – nichts für schwache Nerven. Und wer eine der begehrten Touren machen will, muss frühzeitig buchen, oft schon Monate im Voraus.
Lange blieb Skellig Michael ein Geheimtipp für Entdecker – bis ein gewisser Jedi-Meister auf der Bildfläche erschien. In den Star-Wars-Filmen Das Erwachen der Macht und Die letzten Jedi wurde die Insel zum Rückzugsort von Luke Skywalker – und plötzlich war der einsame Felsen weltberühmt. Zwar wurde für aufwändige Szenen eine Nachbildung auf dem Festland gebaut, aber viele Einstellungen stammen direkt von der Insel. Der Hype brachte viele neue Besucher – so viele, dass Teile der Insel inzwischen gesperrt werden mussten, um Flora und Fauna zu schützen.
Heute gehört Skellig Michael zum Nationalpark „Kerry Seas“ und steht unter strengem Schutz. Seit 1996 ist die Klostersiedlung UNESCO-Weltkulturerbe – ein Titel, der den besonderen Charakter des Ortes unterstreicht. Und wer mit eigenen Augen gesehen hat, wie sich das Kloster wie ein Adlerhorst in die Felsen schmiegt, der versteht: Skellig Michael ist mehr als ein Felsen. Es ist ein Ort, der Geschichten erzählt – von Glaube, Entbehrung, Naturgewalt und von der Sehnsucht nach etwas Höherem.