Wandern und Gärten in Südengland, 21.05.17 – 03.06.17
Der erste Tag beginnt gleich mit einem wunderschönen Garten bei frühlingshaftem sonnigen Wetter. Es ist Samstag und alle Engländer scheinen heute unterwegs zu sein. Trotzdem der Parkplatz bei Wisley Garden voll ist, ist die Situation im Garten sehr entspannt. Die Fläche ist so weitläufig, dass sie die Besuchermenge problemlos absorbiert. Die Rosen blühen schon. Der Rosengarten ist aus diesem Grund der Höhepunkt des Gartens für mich. Ich wandle von einer Duftwolke zur nächsten und bin wieder einmal fasziniert von der Königin der Blumen. Im Alpinum staune ich über sehr außergewöhnliche Pflanzen. Ich kann mich nicht erinnern jemals derartige Exemplare gesehen zu haben. Wahrscheinlich sind sie endemisch in diesem Garten. Das riesengroße Tropenhaus wurde erst vor 10 Jahren von der Königin Elisabeth eingeweiht. Es hält so manche Überraschung bereit. Wasserfälle, Orchideen, Ingwergewächse, einen Kakteengarten, riesige Exoten und Kletterpflanzen. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Bin überwältigt von der Vielfalt der Sorten in diesem Garten. Für den Anfang fühle ich mich sogar etwas überfordert. Durch den Gartenshop am Ausgang geht man am besten mit geschlossenen Augen. Das war doch schon mal ein guter Auftackt für den Beginn dieser Englandreise.
Am Abend erreichen wir Hythe, wo wir in einem erwartungsgemäß plüschigen Hotel direkt am Meer mit einem tollen Sandstrand für 3 Nächte einziehen.
England begrüßt uns heute wieder mit einem sonnigen Frühlingstag. Wir beginnen mit dem Besuch einer Bäckerei und einem kleinen Shop, wo wir uns für das Picknick eindecken können. Weil die Läden so klein sind, dass wir nicht alle gleichzeitig reinpassen, teilt sich die Gruppe auf. Das Picknick müssen wir uns aber erst mit einer kleinen Wanderung durch „Englands Greenest Hills“ verdienen. Am Ende erwartet uns Scotney Garden. Ein Paradies nicht nur für Gartenliebhaber sondern auch für Fotografen. Immer wieder eröffnen sich romantische Blicke auf das Schloß und die Ruine. Umrahmt von perfekt arrangierten Rhododendren, Ahornbäumen, Azaleen und Stauden. Frägt sich, wer am Teich bei der Ruine wen inspiriert hat: Monet die Gartengestalter oder anders herum. Die Szenerie erinnert jedenfalls sehr an den Seerosenteich.
Als ob das nicht genug der Schönheit wäre, krönen wir den Tag noch mit einem Besuch beim berühmten Sissinghurst Castle. Vom Turm kann man sich einen ersten Überblick verschaffen. Der legendäre weiße Garten wirkt auf mich ein wenig eintönig, es fehlt mir der Kontrast. Die Themengärten machen dies jedoch mehr als wett. Die blauesten Blautöne wirken mit gelb und rot um die Wette. Wunderschöne Ramblerrosen ranken an den Mauern hoch – wo ist Dornröschen? Mit viel Liebe zum Detail und einem Händchen für die Kombination von Farben und Formen ist dieser romatische Garten Ambrosia fürs Gärtnerherz.
Von der eigentümlichen Kirche mit der merkwürdig blauen Kirchturmuhr in Winchelsea starten wir unsere kleine Wanderung in Richtung Rye. Durch ungezählte grasende Schafherden mit ihren putzigen Lämmern geht es über flache Weiden. Mangels Hügeln steht die Ruine Camber Castle hier mitten auf der grünen Wiese und nicht auf einem Berg. Von Heinrich dem Eroberer erbaut diente sie einst zur Sicherung der Küste. Die Mittagspause verbringen wir in dem Örtchen Rye mit seinen hübschen Gässchen.
Great Dixter Garden wirkt mit seiner dichten Bepflanzung und den gewagten Kombinationen, als ob den Gärtnern völlig die Kontrolle entglitten wäre. Alles scheint durcheinander zu wachsen und trotzdem ist nichts – oder vielleicht fast nichts – dem Zufall überlassen. Und dennoch ist es eine große Freude, durch die manshoch bewachsenen Staudenbeete zu schlendern. Es gibt viel zu entdecken. Rosen zwischen Artischocken, Beinwell mit duftenden Hemerocallis, die leuchtend blauen Kugeln des Zierlauchs in Gesellschaft zitronenfarbiger Akkeleien und rotschwarzer Marienkäfer-Mohn zum weißen Blauregen. Die Gestalter scheren sich nicht um die allgemein gültigen Regeln für die Harmonie von Formen, Farben und Arten und genau das macht den unglaublichen Charme dieser Anlage aus. Wo auch immer das Auge hinfällt entdeckt es erstaunliches in einer Vielfalt, Fülle und Pracht, dass es eine wahre Freude ist. Dieser Garten in Südengland ist pure Inspiration und deswegen mein bisheriger Favorit.
Die weitläufige Parkanlage von Wakehurst Place ist das Kontrastprogramm. Er lädt zum Entspannen ein. Tieferen Einblick in die Botanic geben die Rabatten nahe des Eingangs, die nach Wachstumszonen sortiert sind. Muse für das Auge ist der Himalayan Glade, der begleitet von Stauden und Rhododendren, hinab führt zu einem Teich, an dem man wiederum, die Seele baumeln lassen kann. Für Liebhaber von Arboreten finden sich riesige Kiefern und der Küchengarten am Herrenhaus darf natürlich auch nicht fehlen. Eine Besonderheit ist die Samenbank, die eine der größten Samensammlungen weltweit sein soll. Den Mitarbeitern kann man beim Gewinnen und Sortieren der Samen durch Glasfenster zusehen.
Wir wandern entlang des Arun mit Blick auf die mächtige Festung in den schnuckeligen Ort Arundel. Dieser ist in Kürze erkundet und nach einer Kaffeepause in einem winzigen, Caffe geht es weiter zu unserem nächsten Ziel Bournemouth.
Nachdem wir ausreichend viel Zeit im Verkehr in und um Bournemouth verbracht haben, führt uns die Reise durch die wunderschöne Landschaft und die Gärten in Südengland. Die grünen Hügel sind durch die kreuz und quer verlaufenden Hecken in kleine Parzellen eingeteilt. Dazwischen hübsche Dörfer mit traditionell reetgedeckten Häusern. Schließlich tut sich vor uns wieder das Meer auf und wir erreichen Durdle Door. Einen Felsbogen, der obligatorisch an jedem Küstenabschnitt in jedem Land der Welt vorkommt. Nichtsdestotrotz machen wir noch einen kleinen Spaziergang hinab in die kleine Bucht von West Lulworth zum Kaffee trinken und Eis essen. Und weil das Wetter so schön ist, macht das richtig Freude.
Der nächste Stopp ist 2 Stunden später im Dartmoor Nationalpark. Die Landschaft ist hier komplett anders. Wir machen eine kurze Wanderung über wegloses Gelände. Zu sehen gibt es weitläufige karge Hügel mit einzeln hervorstehenden Felsen, grasende Pferde und Kühe mit einer sehr außergewöhnlichen Färbung. Nach zwei Stunden ist auch diese Wanderung beendet und wir fahren weiter zu unserer tollen Unterkunft inmitten eines Golfplatzes bei Plympton nahe Plymouth. In diesem Haus bekommt man das Gefühl so ein ganz kleines bisschen adelig zu sein.
Das Wetter ist uns treu, denn auch heute strahlt uns der blaue Himmel an. Die Temperaturen sind mit 20 bis 25 sommerlich angenehm. Was für ein wundervoller Sommertag für eine wundervolle Wanderung entlang des Küstenpfads von Polkerries nach Fowey. Auf 8 km bekommen wir einen Geschmack von Küste, Seeluft und dem bezaubernden Grün Englands. Einen fotogenen Leuchtturm passieren wir nach etwa halber Wanderstrecke. Im süßen Schmugglerort Fowey stärken wir uns am Ende mit Cornish Pasty und traditionellen Scones mit clotted Cream. Ahhh, wie herrlich dekadent! Willkommen in Cornwall.
Am Nachmittag steht ein Höhepunkt der Reise auf dem Programm. Die Lost Gardens of Heligan. Das weitläufige Gelände wurde nach Jahrezehnten wilder Überwucherung wieder entbuscht und wahre Schätze kamen zum Vorschein. Mal ganz abgesehen von jahrhunderte alten riesigen Rbododendren, deren Farbenpracht so spät im Mai leider schon verblüht ist, gibt es einen Dschungel mit riesengroßen Gunnera, Farnen und Wasserläufen. Mutige können eine kleine Hängebrücke überqueren. Es gibt einen kleinen Bauernhof mit Schafen, Kühen und Geflügel. Besonders fasziniert mich, mit welch durchdachter Perfektion die Küchengärten angelegt und gepflegt werden. Kein Sonnenstrahl wird verschwendet, Mauern und Hecken, mehrfach ineinander geschachtelt, halten den ewigen Wind ab und speichern die Wärme. Der riesige Blumengarten ist als Senkgarten angelegt, um Wärme zu halten, Frühbeete werden mit einem komplizierten System mit Mist beheizt,so dass sogar Ananas gedeihen und in Glashäusern, die an die Mauern angelehnt wurden, werden Wein und Aprikosen gezogen. Die Apfelbäume wurden nach Höhenlage und Blühzeitpunkt gepflanzt um sie von Spätfrösten zu bewahren. Es ist unglaublich interessant, wieviel altes Gärtnerwissen hier versteckt ist. Ich würde zu gerne mehr darüber erfahren.
Am Abend erreichen wir Newquay, wo wir 3 Nächte bleiben. Mein erster Eindruck von Hotel und Lage ist nicht sehr überwältigt. Daher beschließe ich am folgenden freien Tag das Eden Project zu besuchen. Das Eden Project ist eine in einer ehemaligen Kaolinabbaugrube entstandene Kunstlandschaft, das auf manchen vielleicht den Eindruck eines Freizeitparks macht. Dennoch beeindruckt es durch seine riesigen Gewächshäuser in denen man über mehrere Etagen durch tropischen Regenwald, mediterane Landschaften und verschiedenste botanische Lebensräume der Erde wandern kann. Auch Umweltthemen werden nicht ausgeblendet sondern mit viel Fantasie angesprochen. Mit dem Gartenpass von Cornwall, den man in vielen Gärten kostenlos erhält und abgestempelt bekommt, kostet der Eintritt nur knapp 15 Pfund statt 27 Pfund. Es lohnt sich also vorher, einen anderen Garten besucht zu haben um sich dort den Gartenpass zu besorgen.
Leider ist uns das Wetter nicht mehr so gut gewogen. Regen hat sich angemeldet. Da ich die angekündigte Wanderung von Falmouth nach Trebah Garden bereits kenne und ich sie nicht bei grauem Wetter laufen möchte, entscheide ich mich dazu, statt dessen den benachbarten Glendurgan Garten zu besichtigen. Auch dieser hat seinen Reiz mit seinen Gunneras und Baumfarnen. Der Irrgarten aus Kirschlorbeer macht nicht nur Kindern Spaß. Weit größer und spektakulärer ist jedoch Trebah Garden. Der pünktlich einsetzende Regen gibt dem regenwaldähnlichen Landschaftsgarten das passende Ambiente. Unter riesigen Gunnerablättern und dichten Bambuswäldchen kann man Schutz vor dem Regen finden und den Flair des perfekt geplanten Landschaftsgarten aufnehmen. Der Besitzer soll einst vom hoch oben gelegenen Herrenhaus mit Fernglas und Lautsprecher die Pflanzanweisungen gegeben haben um eine perfekte Sichtachse auf Garten und Strand zu haben.
Zuletzt besuchen wir noch den berühmten Künstlerort St. Ives. Der Blick auf die hübschen Geschäfte und Häuser wird leider von massenhaft Besuchern verdeckt. Ich flüchte mich in ein verstecktes Kaffee mit dem Charme einer Puppenküche zum typisch cornishen Creamtea. Scones mit Clottet Cream und Erdbeermarmelade zum Tee. Es ist herrlich, so hemmungslos schlemmern zu dürfen.
Zum Abschluss steht Hestercombe Garden auf dem Programm. Vor dem sattlichen Herrenhaus befindet sich ein architektonisch perfekt ausgerichteter Staudengarten mit Bogengängen, duftendem Rosengarten und verschiedenen Wasserläufen. Auffällig sind die strikten Sichtachsen, deren Strenge von üppig blühenden Erigeron aufgelockert wird, die frech jede Steinritze erobern. Im hinteren Bereich kann man im weitläufigen Landschaftsgarten flanieren.
Insgesamt eine entspannte Reise mit leichten Wanderungen und beeindruckenden Gärten in Südengland.
Englandreisen für Gartenfans und solche die es werden wollen