Mývatn – Der Mückensee

Myvatn
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Im Nordosten Islands, eingebettet in eine geheimnisvolle, von Vulkanismus geformte Landschaft, liegt der See Mývatn – auf Deutsch: der „Mückensee“. Was für viele nach einem wenig einladenden Ort klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eines der faszinierendsten Naturparadiese des Landes. Benannt ist der See nach den zahllosen Mücken, die sich vor allem im Sommer in dichten Schwärmen über das Wasser erheben. Diese kleinen, manchmal lästigen, aber meist harmlosen Plagegeister sind ein entscheidender Bestandteil des empfindlichen Ökosystems rund um den See. Sie bilden die Lebensgrundlage für eine außergewöhnlich reiche Vogelwelt, insbesondere für die Vielzahl an Entenarten, die hier jedes Jahr brüten. Zuckmücken tanzen in säulenartigen Formationen über den Wiesen und Ufern – ein surreales Naturschauspiel, das man so nur am Mývatn erlebt. Es heißt, das Kohlendioxid, das aus dem vulkanischen Boden austritt, lockt sie geradezu an, manchmal sogar in Nase und Mund. Selbst dramatische Geschichten, bei denen Pferde durch Mückenschwärme zu Schaden kamen, kursieren in der Region.

Der Mývatn liegt auf etwa 288 Metern Höhe und ist mit einer Fläche von 37 Quadratkilometern der viertgrößte See Islands. Er ist flach, durchschnittlich nur knapp über zwei Meter tief, was ihn besonders anfällig für die Erwärmung durch die zahlreichen heißen Quellen unter seiner Oberfläche macht. Auch im Winter bleibt der See stellenweise eisfrei – ein Grund für die bleibende Präsenz der Tierwelt. Die Umgebung gehört zu den höchstgelegenen, ganzjährig bewohnten Gegenden der Insel und ist wegen des angenehmen Klimas im Sommer ein beliebtes Reiseziel. Der Abfluss des Sees, der Fluss Laxá í Aðaldal, gilt als einer der besten Lachsflüsse Islands – ein Traum für Angler.

Aber nicht nur die Tierwelt und das milde Klima locken Besucher an. Rund um den See erstreckt sich ein echtes Eldorado für Geologie-Fans, Wanderer und Abenteurer. Denn Mývatn liegt direkt im Einzugsgebiet des aktiven Vulkansystems Krafla, das bis heute regelmäßig bebt, brodelt und die Landschaft verändert. Zwischen 1975 und 1984 fanden hier die letzten Vulkanausbrüche statt – ein Spektakel, das die Menschen vor Ort nie vergessen werden. Wanderwege führen auf die umliegenden Berge, etwa zum dampfenden Námafjall oder dem Vindbelgjarfjall, von denen man eine beeindruckende Aussicht über die bizarre Landschaft genießt. Besonders eindrucksvoll sind die Pseudokrater von Skútustaðir, die wie kleine Vulkane wirken, jedoch durch das explosive Zusammentreffen von Lava und Wasser entstanden sind – ein Phänomen, das es weltweit nur an wenigen Orten gibt.

Nicht weit vom See erhebt sich der gewaltige Krater Hverfjall, dessen Aschehänge bestiegen werden können. Am Fuße dieses Kolosses liegt Dimmuborgir – die „dunklen Burgen“ – eine Ansammlung verwitterter Tuffsteinformationen, die an verfallene Festungen oder versteinerte Riesen erinnern. Ihre fast märchenhafte Erscheinung hat viele Sagen und Geschichten inspiriert. In unmittelbarer Nähe findet man auch die Badegrotten Grjótagjá und Stóragjá. Hier kann man in warmem Wasser baden, das sich durch die vulkanische Aktivität unterirdisch seinen Weg bahnt. Das besondere Extra: In der Nähe verläuft eine sichtbare Spalte zwischen der amerikanischen und eurasischen Kontinentalplatte, die Island buchstäblich zerreißt – ein Ort, an dem man sich auf dem Grat zweier Welten bewegt.

Ein dramatisches Kapitel der Geschichte schrieb der Lavastrom, der im 18. Jahrhundert nur knapp die Kirche und die Einwohner des Ortes Reykjahlíð verschonte. Heute steht dort ein Neubau aus dem Jahr 1962 – ein stiller Zeuge der ungezähmten Naturkräfte, die hier walten. Bis in die jüngste Vergangenheit war die Region auch industriell geprägt: In Reykjahlíð wurde Diatomeenschlamm, also Kieselgur, abgebaut – ein für die Umwelt höchst umstrittenes Unterfangen, das schließlich eingestellt wurde. Als Ausgleich entstand das Thermalbad Jarðböð, das heute Besuchern offensteht und tief mit der isländischen Badekultur verwoben ist. Dort, in milchig blauem Wasser unter freiem Himmel, lässt sich die wilde Schönheit von Mývatn in aller Ruhe genießen – vielleicht sogar mit einem Schwarm tanzender Mücken über dem Wasserdampf.

Die Wunder von Island selbst erleben…