
Versteckt in den sanften Hügeln Cornwalls, nur wenige Kilometer von der Küste entfernt, liegt ein Ort, der wie aus einer anderen Zeit zu stammen scheint: The Lost Gardens of Heligan. Was heute ein blühendes Gartenparadies ist, war über Jahrzehnte hinweg ein vergessenes Stück Geschichte, überwuchert vom Dickicht und verschluckt vom Vergessen – bis eine zufällige Begegnung alles veränderte.
Die Ursprünge Heligans reichen weit zurück. Schon im 12. Jahrhundert tauchte das Anwesen erstmals in schriftlichen Quellen auf, doch seine eigentliche Blüte erlebte es ab dem späten 18. Jahrhundert unter der Familie Tremayne. Henry Hawkins Tremayne, ein leidenschaftlicher Gärtner, ließ das Areal zu einer Prachtanlage gestalten, die bis ins 19. Jahrhundert hinein wuchs und gedeihte. In Hochzeiten arbeiteten mehr als zwanzig Gärtner auf dem weitläufigen Gelände, das zur damaligen Zeit zu den schönsten in ganz England zählte. Doch wie so viele große Träume wurde auch Heligan von den Wirren der Geschichte heimgesucht. Der Erste Weltkrieg riss die Männer fort – die Hände, die die Beete pflegten und die Alleen schnitten, fehlten plötzlich. Jack Tremayne öffnete das Herrenhaus für verwundete Offiziere, und nach Kriegsende verlor der Garten seine einstige Aufmerksamkeit. Verwilderung setzte ein. Die Familie konnte den Unterhalt nicht mehr stemmen, und während das Herrenhaus vermietet wurde, überließ man die einstigen Gärten dem Zahn der Zeit. Jack selbst zog nach Italien, das Anwesen versank zunehmend in Dornröschenschlaf.
Erst 1990, als der Archäologe Tim Smit zufällig auf das Grundstück stieß und in John Willis, einem Nachfahren der Tremaynes, einen Gleichgesinnten fand, nahm Heligans Geschichte eine überraschende Wendung. Mit einem Team von Gartenliebhabern, Historikern und freiwilligen Helfern begann eine beispiellose Wiederauferstehung. Man grub alte Wege frei, entdeckte vergessene Gewächshäuser unter Brombeersträuchern und restaurierte liebevoll jedes noch so kleine Detail. Die verlorenen Gärten kehrten zurück – und mit ihnen ein Stück viktorianisches Erbe.
Heute ist Heligan weit mehr als ein historischer Park. Es ist ein lebendiges, atmendes Denkmal für die Gartenkunst, für Handwerk, Nachhaltigkeit und Biodiversität. Besucher können durch den „Pleasureground“ flanieren, einen Ziergarten mit romantischen Pavillons, versteckten Grotten und eindrucksvollen Rhododendren, die wie riesige Bäume wirken. Flora’s Green, die zentrale Rasenfläche, wird von Exemplaren umringt, die der Botaniker Joseph Hooker aus dem Himalaya mitbrachte – einige von ihnen erreichen heute einen Durchmesser von sechzig Metern.
Im sogenannten „Productive Garden“ scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Dort wird gegärtnert wie im 19. Jahrhundert: mit historischen Werkzeugen, alten Anbautechniken und einer beeindruckenden Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten. Auch ein mit Pferdemist beheizter Ananasgraben aus georgianischer Zeit wurde rekonstruiert – der letzte seiner Art in ganz Großbritannien.
Dann gibt es noch den „Dschungel“ – ein märchenhaftes Tal, wo sich verschlungene Wege durch Bambushaine, Palmen, Baumfarne und riesige Gunneras winden. In vier künstlich angelegten Teichen spiegeln sich die Pflanzen in glasklarem Wasser. Ein paar Schritte weiter öffnet sich das „Lost Valley“, das einst als Holzwirtschaftsfläche diente und heute mit alten Buchen, Eichenalleen und Teichen wiederbelebt wurde. Die Natur kehrte zurück – Vögel, Schmetterlinge, Fledermäuse, Libellen, ja sogar Eisvögel siedelten sich wieder an.
Und dann sind da noch die stillen Hüter dieser magischen Welt: die überwachsenen Erdskulpturen The Mud Maid und The Giant’s Head, geschaffen von Susan Hill, die wie aus den Mythen Cornwalls entsprungen scheinen. Sie bewachen Heligan – oder vielleicht träumen sie davon, was dieser Ort einmal war.
Heute ist the Lost Gardens of Heligan nicht nur ein Garten, sondern ein Ort des Wunders, der Erinnerung und des Aufbruchs zugleich. Ein Ort, der zeigt, dass selbst das, was verloren scheint, wiedergefunden werden kann – wenn man nur genau hinsieht.