Levadas: Die geheimnisvollen Wasseradern Madeiras

Levada
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Wer Madeira besucht, begegnet ihnen fast überall: schmalen, sich durch die Landschaft windenden Kanälen, die sich oft spektakulär an Steilhänge klammern oder durch dunkle Tunnel führen – die sogenannten Levadas. Doch sie sind weit mehr als bloß charmante Wanderwege inmitten üppiger Natur. Diese von Menschenhand geschaffenen Wasseradern sind ein technisches Meisterwerk, das seit Jahrhunderten das Überleben und die Entwicklung der Insel gesichert hat.

Die Levadas entstanden aus einem ganz praktischen Bedürfnis heraus: Wasser dorthin zu bringen, wo es gebraucht wurde. Die Insel Madeira wird von einem Gebirgskamm durchzogen, der sie in eine feuchte, regenreiche Nordhälfte und eine sonnigere, aber trockene Südhälfte trennt. Während im Norden satte 2000 Millimeter Regen jährlich fallen, herrscht im Süden mitunter monatelange Trockenheit. Hinzu kommt, dass der Norden steil, wild und schwer zugänglich ist – für die Landwirtschaft kaum nutzbar. Ganz anders der Süden: Hier bieten sich ideale Bedingungen für Ackerbau – wenn da nicht das fehlende Wasser wäre.

Die Lösung? Ein ausgeklügeltes System von Wasserkanälen: Die Levadas. Bereits im 15. Jahrhundert begannen die ersten Siedler, diese Kanäle zu graben, um das Wasser aus dem regenreichen Norden über teils abenteuerliche Streckenführung in den Süden zu leiten. Über Täler hinweg, entlang steiler Berghänge, durch Felsentunnel und über Aquädukte schlängeln sich die Levadas, oft mit kaum wahrnehmbarem Gefälle – denn das Wasser muss gleichmäßig und ruhig fließen. Bis heute wird jedes noch so abgelegene Feld in den Sommermonaten durch dieses System bewässert.

Die Bedeutung dieser Kanäle war von Anfang an so groß, dass schon im 15. Jahrhundert Gesetze zur Wassernutzung erlassen wurden. Es wurden eigens Beamte – die Hereus – ernannt, die das Wasser gerecht verteilen sollten. Wer den Bau oder den Zugang zu einer Levada behinderte, musste mit Strafen rechnen. Die zunehmende Nachfrage – insbesondere durch den lukrativen Zuckerrohranbau – führte ab dem 17. Jahrhundert zu einem massiven Ausbau des Netzes. Tausende arabische und afrikanische Sklaven mussten unter gefährlichsten Bedingungen in schwindelerregenden Höhen und engen Tunneln arbeiten. Das Wissen maurischer Ingenieure war beim Bau der Levadas besonders gefragt.

Heute umfasst das Levada-Netz auf Madeira – je nach Zählweise – zwischen 800 und 5000 Kilometern. Die jüngste und modernste von ihnen, die Levada dos Tornos, wurde 1966 eröffnet. Mit ihren 106 Kilometern Länge, zahlreichen Tunneln und der Versorgung von fast 10.000 Hektar Land ist sie ein Paradebeispiel moderner Bewässerungstechnik. Zudem sind die Levadas heute auch ein wichtiger Bestandteil der Energieversorgung: Drei Wasserkraftwerke werden durch sie gespeist, bevor das Wasser überhaupt zur Bewässerung genutzt wird.

Doch die Levadas sind nicht nur technische Meisterwerke – sie laden auch zur Entdeckung ein. Die Passeios da Levada, die Wartungswege entlang der Kanäle, haben sich zu einem der beliebtesten Wanderparadiese Europas entwickelt. Auf diesen Pfaden, die einst den Wasserwächtern dienten, wandert man heute durch die märchenhaften Lorbeerwälder der Insel, vorbei an Wasserfällen, durch kühle Tunnel und entlang steiler Schluchten. Viele dieser Wege sind inzwischen gut gesichert, beschildert und von Reiseveranstaltern als geführte Touren erschlossen worden. Doch es gibt auch abenteuerliche Routen abseits der Massen – für geübte Wanderer mit guter Ausrüstung eine Herausforderung, die spektakuläre Ausblicke und einzigartige Erlebnisse verspricht.

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