Königsgräber von Nea Paphos

Königsgräber von Nea Paphos
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An der Westküste Zyperns, dort, wo sich die trockene Erde der Insel sanft zur glitzernden See neigt, liegt ein Ort voller Geheimnisse, der bis heute ehrfürchtige Stille ausstrahlt: die sogenannten Königsgräber von Nea Paphos. Trotz des majestätisch klingenden Namens waren hier nie Könige bestattet – die Bezeichnung entstand viel später, im 20. Jahrhundert, als die Größe und Monumentalität dieser Felsengräber erstmals die Vorstellungskraft der westlichen Welt beflügelte. Tatsächlich war Zypern zur Entstehungszeit der Gräber im 3. Jahrhundert v. Chr. längst nicht mehr in Königreiche unterteilt. Die Insel stand unter der Herrschaft der Ptolemäer, und diese gewaltige Nekropole diente der Bestattung hochrangiger Verwaltungsbeamter, vermutlich auch reicher Bürger, deren Lebensstil sich deutlich an ägyptischen Vorbildern orientierte.

Was heute wie ein stilles Ruinenfeld wirkt, war einst ein Ort großer Bestattungszeremonien und später sogar Zuflucht und Wohnstätte. Noch bis ins 3. Jahrhundert nach Christus fanden hier Begräbnisse statt. In Zeiten religiöser Verfolgung suchten frühe Christen Schutz in den Felskammern, im Mittelalter siedelten sich Menschen illegal in den verlassenen Gräbern an und veränderten die Architektur nach ihren Bedürfnissen. Über all das schweigen die Steine – doch wer genau hinsieht, erkennt Spuren dieser wechselvollen Geschichte.

Die Forschungsgeschichte der Königsgräber reicht zurück bis ins 18. Jahrhundert. Der englische Reiseschriftsteller Richard Pococke war 1738 der erste Europäer, der die Anlage beschrieb. Es folgten andere Entdecker und Forscher: Josef von Hammer fertigte um 1800 erste Beschreibungen an, Domingo Badía y Leblich hinterließ wenige Jahre später seinen eigenen Bericht. 1845 entstanden durch Ludwig Ross die ersten ernstzunehmenden Zeichnungen eines Grabes. Doch es waren nicht nur Forscher, die hier tätig wurden – auch der berüchtigte Schatzsucher Luigi Palma di Cesnola, US-Konsul in Zypern, grub 1870 mit wenig Rücksicht auf wissenschaftliche Genauigkeit nach Schätzen.

Erst 1915 begann unter Menelaos Markidis eine systematische archäologische Erkundung. In den folgenden Jahrzehnten wechselten sich wissenschaftliche Forschung und archäologische Grabungen mit Unterbrechungen ab, oft geprägt von politischen Umbrüchen oder Kriegen. Besonders seit 1977 wird unter Leitung von Sophokles Hadjisavvas intensiv daran gearbeitet, das Wissen um die Bestattungsbräuche der hellenistischen Epoche zu vertiefen und den Ort für Besucher zu erschließen. Heute ist die gesamte Stätte Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

Die Architektur der Gräber ist ebenso beeindruckend wie vielfältig. In den Fels geschlagen und aus weichem Sandkalkstein bestehend, begegnet man sowohl schlichten Schacht- und Kammergräbern als auch weitläufigen Atriumanlagen mit dorischen Säulen, Architraven und kunstvollen Friesen. Die Gräber sind oft um einen Innenhof mit Peristyl angeordnet, von dem aus sich einzelne Grabkammern verzweigen – ein klarer Hinweis auf die Einflüsse griechischer Baukunst. Besonders ein Grab, das als freistehender Block mitten in einem ausgehobenen Hof liegt, erinnert stark an Grabarchitektur aus Alexandria. Einzigartig auf Zypern ist ein 1983 entdeckter Komplex im Norden der Anlage: Ein zwanzig Meter langer Stufengang führt in einen reich stuckverzierten Innenhof – ein Beweis für die kulturelle und architektonische Vielfalt dieser Nekropole.

Auch die Funde erzählen Geschichten: Amphoren, Balsamgefäße, Öllampen, Goldschmuck, Elfenbeinpyxiden und sogar Münzen aus der Zeit Kleopatras belegen nicht nur den Reichtum, sondern auch die kunsthandwerkliche Raffinesse jener Epoche. Einige der Königsgräber von Nea Paphos tragen Spuren von Wiederverwendung: Kreuze an den Wänden, veränderte Eingänge oder gar ein mittelalterlicher Töpferofen, wie in Grab Nummer 5, sprechen von praktischen Umnutzungen lange nach dem Ende der Antike.

Aus den bisherigen Erkenntnissen schließen Archäologen, dass Familien jeweils eigene Grabstätten besaßen, die teils unterschiedlich ausgeführt waren – ähnlich wie in der Nekropole von Kerameikos. Große Gräbergruppen verfügten über Wasserbecken zur rituellen Reinigung. Den Toten wurden symbolische Gaben mitgegeben: Vögel, Eier, Früchte – Zeichen für Leben, Hoffnung, Wiedergeburt. Auch wenn die Gräber leergeräumt sind, wenn ihre Namen vergessen wurden und ihre Geschichten nur noch in Fragmenten überlebt haben, atmet jeder Felsblock, jede Säule, jeder Gang durch die Schatten der Jahrtausende eine stille Ehrfurcht, die auch heute noch Besucher in ihren Bann zieht.

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