
Inmitten der schönen Altstadt von Córdoba, umgeben von verwinkelten Gassen und weiß getünchten Häusern, erhebt sich ein Bauwerk, das nicht nur die Geschichte Spaniens, sondern auch den Geist zweier großer Religionen atmet: die Mezquita Catedral, die Moschee-Kathedrale von Córdoba. Was heute als katholische Kathedrale dient, war einst eines der bedeutendsten islamischen Heiligtümer der Welt – ein Ort, an dem sich Geschichte, Kultur und Architektur auf einzigartige Weise vereinen.
Der Ursprung dieses monumentalen Baus reicht weit zurück in die Antike. Schon zu Zeiten des Römischen Reichs befand sich an genau dieser Stelle ein Tempel. Später wurde daraus eine westgotische Kirche, die dem heiligen Vinzenz von Saragossa geweiht war. Doch mit dem Aufstieg der islamischen Herrschaft in Spanien änderte sich auch das Bild der Stadt. Im Jahr 784 gab der Emir Abd al-Rahman I. den Startschuss für den Bau der Großen Moschee – und ließ das christliche Gotteshaus niederreißen. Was daraufhin entstand, war ein Meisterwerk islamischer Architektur, das Córdoba weltberühmt machen sollte.
Die Moschee wurde über die Jahrhunderte stetig erweitert. Jede neue Herrschergeneration setzte architektonische Akzente, fügte prachtvolle Details hinzu oder vergrößerte den bereits beeindruckenden Bau. Abd al-Rahman III., der sich 929 zum Kalifen ausrufen ließ, ließ den Moscheehof vergrößern und ein neues Minarett errichten. Sein Sohn al-Hakam II. verdoppelte die Gebetshalle und verschönerte den Mihrab, die Gebetsnische, mit kunstvollen Mosaiken und Bögen. Den letzten großen Umbau nahm al-Mansur Ende des 10. Jahrhunderts vor. Unter seiner Leitung erhielt die Moschee acht weitere Seitenschiffe – und erreichte damit ihre endgültige Größe.
Heute ist das Bauwerk über 179 Meter lang und 134 Meter breit. Der gigantische Gebetsraum, der über zwei Drittel der Fläche einnimmt, ist geprägt von einem Meer aus Säulen und Hufeisenbögen. Über 850 Säulen aus Jaspis, Onyx, Marmor und Granit tragen das Dach – viele davon stammen noch aus römischer Zeit. Sie erzeugen ein faszinierendes Spiel aus Licht und Schatten und vermitteln dem Besucher das Gefühl, in einer endlosen Halle zu stehen, die sich sowohl horizontal als auch vertikal ins Unendliche zieht. Es gibt keine dominante Kuppel, wie sie bei späteren Moscheen üblich ist – die Erhabenheit der Mezquita liegt in der schieren Masse und Harmonie ihrer Architektur.
Doch mit der christlichen Rückeroberung Córdobas im Jahr 1236 sollte sich das Gesicht der Moschee erneut wandeln. Der kastilische König Ferdinand III. ließ das Minarett mit einem Kreuz versehen und weihte die Moschee der Jungfrau Maria. Sie wurde zur Kathedrale umgewidmet, und im Laufe der Zeit folgten zahlreiche bauliche Eingriffe: Kapellen wurden eingebaut, Mauern hochgezogen – bis schließlich im 16. Jahrhundert das wohl kontroverseste Kapitel begann. Gegen den Willen des Stadtrates und trotz massiven Widerstands ließ der Bischof ein gotisches Kirchenschiff mitten in die Moschee bauen. Kaiser Karl V. soll später – womöglich reumütig – gesagt haben: „Ihr habt zerstört, was einzigartig in der Welt war, um etwas zu bauen, das man überall findet.“
Bis heute ist dieser Umbau ein Sinnbild für die spannungsreiche Geschichte des Ortes. Die Kathedrale von Córdoba ist weder nur Moschee noch nur Kirche – sie ist beides zugleich. Ein architektonisches Zwiegespräch zwischen Christentum und Islam, sichtbar in jedem Bogen, jeder Säule, jeder Kapelle. Und so verwundert es nicht, dass der Ruf nach einer interreligiösen Nutzung immer wieder laut wird – ein Vorschlag, dem die katholische Kirche bisher jedoch eine klare Absage erteilt hat.
Ein weiteres Schmuckstück der Mezquita-Catedral ist die barocke Orgel, die 1702 eingebaut und zuletzt 1998 restauriert wurde. Mit ihren zahlreichen Registern und der aufwendigen Gestaltung fügt sie sich harmonisch in das Gesamtkunstwerk ein – und macht den Besuch der Kathedrale nicht nur zu einem optischen, sondern auch zu einem akustischen Erlebnis.
So steht die Moschee-Kathedrale von Córdoba heute nicht nur als UNESCO-Welterbe auf der Liste der größten Kulturschätze der Menschheit – sie ist ein lebendiges Zeugnis dafür, wie aus Konfrontation Schönheit entstehen kann. Ein Ort, der Besucher in seinen Bann zieht und Geschichten erzählt, die man nie wieder vergisst.