Hochkönigsburg im Elsass – Wie aus einem Märchen entsprungen

Hochkönigsburg
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Hoch oben auf einem mächtigen Buntsandsteinfelsen, über der weiten Rheinebene im Elsass, thront die Hochkönigsburg wie aus einem Märchen entsprungen. Sie scheint mehr als nur eine Burg zu sein – eher ein steingewordenes Kapitel europäischer Geschichte, das über Jahrhunderte hinweg von Macht, Zerstörung, Wiederaufbau und politischer Symbolik erzählt. Mit ihren Zinnen und Türmen, ihrer Lage auf 757 Metern Höhe und dem atemberaubenden Blick bis zu den Alpen an klaren Tagen, zieht sie heute jährlich rund eine halbe Million Besucher in ihren Bann – mehr als jede andere Burg in der Region.

Bereits im Jahr 774 wurde der Berg, auf dem sie steht, in einer Schenkung Karls des Großen erwähnt. Damals trug er noch den Namen Stophanberch und gehörte zur Abtei Saint Denis. Die eigentliche Burg entstand jedoch erst im 12. Jahrhundert als staufische Reichsburg. Unter Herzog Friedrich, dem Vater Friedrich Barbarossas, wurde sie errichtet und diente fortan der Kontrolle über Handelsrouten und die umliegenden Ortschaften. Die erste Erwähnung als „Castrum Estufin“ im Jahr 1147 markiert den Anfang einer wechselvollen Geschichte. Namen wie Staufenburg und später Königsburg tauchten auf, und im Laufe der Jahrhunderte wechselte sie mehrmals ihre Besitzer: Von den Herzögen von Lothringen über die Grafen von Werd, Oettingen und Thierstein bis hin zu den Bischöfen von Straßburg. Doch die Zeiten waren rau, und 1462 wurde sie nach einer Episode von Raubritterei zerstört – ein Schicksal, das viele Burgen in dieser Ära ereilte.

Nach dem Aussterben der Grafen von Thierstein im Jahr 1517 fiel die Burg an die Habsburger, doch ihr Glanz begann zu verblassen. Während des Dreißigjährigen Krieges belagerten und plünderten schwedische Truppen die Anlage – 52 Tage lang. Danach blieb nur eine Ruine zurück, von der sich niemand wirklich annahm. Sie wechselte noch ein paar Mal den Besitzer, doch die einst stolze Festung versank langsam im Dornröschenschlaf. Erst im 19. Jahrhundert, in der romantischen Wiederentdeckung der Vergangenheit, wurde sie wieder interessant. Dichter, Historiker und Abenteurer zogen durch die Vogesen und entdeckten in der überwucherten Ruine eine fast mystische Schönheit.

Ein echter Wendepunkt kam mit dem Deutsch-Französischen Krieg: Nach dem Sieg über Frankreich fiel das Elsass 1871 an das Deutsche Reich. Im Jahr 1899 überreichte die Stadt Schlettstadt die Ruine als Geschenk an Kaiser Wilhelm II., der sich sofort daranmachte, die Burg als Symbol deutscher Geschichte wiedererstehen zu lassen. Unter der Leitung des Burgenforschers Bodo Ebhardt wurde zwischen 1901 und 1908 eine der ambitioniertesten Restaurierungen ihrer Zeit durchgeführt. Mit Dampfmaschinen, elektrischen Kränen und einer eigens verlegten Feldbahn rückte man dem alten Gemäuer zu Leibe. Über zwei Millionen Mark kostete das Unternehmen, das nicht nur eine Burg restaurieren, sondern auch ein Zeichen deutscher Kultur und Macht im Westen des Reiches setzen sollte. Die feierliche Einweihung, zu der sogar die kaiserliche Familie erschien, war pompös – trotz strömenden Regens. Viktoria Luise, die Tochter des Kaisers, erinnerte sich später an den bewegenden Moment, als ihr Vater vom Aussichtspunkt auf die Rheinebene, den Schwarzwald und die fernen Alpen blickte und in einer feierlichen Rede die Vergangenheit der Burg beschwor.

Doch nicht alle teilten den Enthusiasmus des Kaisers. Der elsässische Künstler Jean-Jacques Waltz, auch bekannt unter dem Pseudonym Hansi, machte sich mit einer Serie satirischer Zeichnungen über die deutschtümelnde Inszenierung lustig und kommentierte die Feierlichkeiten mit feiner Ironie.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Elsass wieder französisch – und mit ihm auch die Hochkönigsburg. Seit 1919 gehört sie dem französischen Staat, heute dem Département Bas-Rhin. Doch unabhängig von politischen Grenzen ist sie längst ein Ort, der Geschichte atmet. Ihre Mauern erzählen von Kaiserträumen, Ritterkämpfen, Belagerungen und Wiederauferstehung. In ihren Sälen hängen heute noch Jagdtrophäen des Kaisers, antike Möbel schmücken die alten Gemächer, und wer durch das mächtige Löwentor schreitet, kann sich fast ein bisschen vorstellen, wie es damals gewesen sein muss, als die Hochkönigsburg noch Zentrum mittelalterlicher Macht war.

Heute ist die Hochkönigsburg nicht nur das einzige französische Nationaldenkmal im Elsass, sondern auch ein lebendiges Symbol für das wechselvolle Erbe der Region. Ihre Anlage – mit Zwingermauern, Schalentürmen, Bergfried, Palas und Zugbrücke – wurde von Bodo Ebhardt bewusst so restauriert, dass sie ihre jahrhundertealte Geschichte nicht verbirgt, sondern stolz zur Schau stellt. Wer durch ihre Tore tritt, begegnet nicht nur einer mittelalterlichen Festung, sondern einem Monument, das deutsche, französische und europäische Geschichte auf einmalige Weise vereint.

Die Schönheit des Elsass selbst erleben…