Hallgrímskirkja – Mehr als nur eine Kirche

Hallgrimmskirkja, Hallgrímskirkja – mehr als nur eine Kirche
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Hoch über den Dächern Reykjavíks, weithin sichtbar und wie aus einer anderen Welt herausgemeißelt, erhebt sich die Hallgrímskirkja – mehr als nur eine Kirche, vielmehr ein Wahrzeichen, das sich tief in das Stadtbild und das Herz Islands eingeschrieben hat. Ihre kühle, majestätische Silhouette aus Beton wirkt wie eine Hommage an die wilden Kräfte der Natur, die das Land geformt haben: an Gletscher, Lava und die charakteristischen Basaltsäulen, die hier aus der Erde zu wachsen scheinen. Auf einem Hügel platziert, scheint sie mit ihrem 74,5 Meter hohen Turm den Himmel berühren zu wollen – ein stilles, steinernes Gebet, das über Reykjavík wacht.

Die Geschichte dieses ehrfurchtgebietenden Baus begann lange vor seiner Fertigstellung. Bereits 1929 begannen die Planungen, doch es sollte viele Jahrzehnte dauern, bis die Kirche vollendet war. Der Bau zog sich von 1945 bis 1986 hin – eine Generationenaufgabe, die durch Spenden mitgetragen wurde. Die Weihe der Krypta erfolgte 1948, der markante Turm war 1974 fertiggestellt, doch erst im Jahr 1986, pünktlich zum 200. Jubiläum Reykjavíks und am Todestag des Namensgebers Hallgrímur Pétursson, wurde das Gotteshaus in seiner ganzen Größe geweiht. Hallgrímur, ein bedeutender Dichter geistlicher Lieder des 17. Jahrhunderts, ist der Namenspatron dieser Kirche – und sein geistiges Erbe scheint in den Mauern weiterzuleben.

Entworfen vom isländischen Staatsarchitekten Guðjón Samúelsson, der auch von der dänischen Grundtvigskirche inspiriert war, trägt die Hallgrímskirkja eine expressionistische Handschrift. Der äußere Stil erinnert in seinen Linien an die Basaltsäulen, wie man sie an Wasserfällen oder an der Küste findet. Das Innere hingegen überrascht durch klassische Schönheit: eine helle, gotisch geprägte Hallenkirche mit Kreuzrippengewölben, Spitzbogenfenstern und einem offenen Blick hinter dem Altar direkt in den Himmel – als hätte der Architekt der Kirche selbst ein Fenster zu Gott gegeben. Auf bunte Glasmalereien wurde bewusst verzichtet. Stattdessen ist es das Licht, das durch die weißen Wände tanzt und dem Raum eine fast überirdische Klarheit verleiht.

Die Ausstattung stammt von bekannten isländischen Künstlern: das große Eingangstor, der Altarbereich, die Kanzel und das Taufbecken von Leifur Breidfjörd, kraftvolle Skulpturen von Sigurjón Ólafsson und Einar Jónsson und eine eindrucksvolle Darstellung der Erzengel Gabriel und Michael, gemalt von Kristín Gunnlaugsdóttir. Kunst und Spiritualität verschmelzen in dieser Kirche zu einem stillen Dialog.

Doch die Hallgrímskirkja ist nicht nur ein Ort des Glaubens, sondern auch des Klangs. 1992 erhielt sie eine der größten und beeindruckendsten Orgeln des Nordens, gebaut von der renommierten Orgelmanufaktur Klais in Bonn. Mit vier Manualen, 72 Registern und über 5.000 Pfeifen bringt sie nicht nur die Wände, sondern auch die Herzen der Zuhörer zum Vibrieren. Ihr Prospekt mit den gewaltigen Pedalpfeifen ist ein Meisterwerk für sich, und die Orgel wird regelmäßig für bedeutende Konzerte genutzt. Ein zweiter Spieltisch erlaubt zusätzliche musikalische Vielfalt – auch das Gestühl der Kirche wurde so gestaltet, dass sich der Raum flexibel verwandeln lässt.

Über allem thront der Kirchturm, der ursprünglich als Sendeturm geplant war und heute Besucher mit einem Aufzug bis fast zur Spitze trägt. Von dort oben bietet sich ein unvergleichlicher Panoramablick über Reykjavík und weit hinaus über Meer und Berge. Der Turm selbst trägt drei mächtige Glocken mit den Namen Hallgrímur, Guðríður und Steinunn – benannt nach dem Dichter, seiner Frau und seiner Tochter. Ergänzt werden sie von einem Carillon aus 29 Glocken, das zu besonderen Anlässen den Himmel über der Stadt zum Klingen bringt.

Direkt vor der Kirche steht die Statue von Leif Eriksson, dem legendären Entdecker Amerikas, ein Geschenk der Vereinigten Staaten zur 1000-Jahr-Feier des Althings. Sie wirkt wie ein stummer Wächter an der Schwelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart – zwischen den wilden Ursprüngen des Landes und seiner modernen Seele. Die Hallgrímskirkja ist mehr als ein Gotteshaus. Sie ist ein Denkmal aus Beton, Geist und Musik – ein steinernes Lied inmitten des Nordens.

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