
Hoch über den Dächern der schottischen Hauptstadt thront eine Festung, die so viel mehr ist als nur ein steinernes Monument. Edinburgh Castle, stolz auf dem vulkanischen Castle Rock gelegen, wirkt wie eine Zeitmaschine, die Besucher mit jeder Mauer, jedem Stein und jedem Echo durch die Jahrhunderte trägt. Der Fels, auf dem das Schloss ruht, entstand vor über 340 Millionen Jahren, als sich glühendes Magma aus dem Erdinneren an die Oberfläche drängte. Nachdem sich die Lava abgekühlt hatte, wurde sie von weicheren Sedimenten überdeckt – Gestein, das später von eiszeitlichen Gletschern abgetragen wurde. Zurück blieb eine schroffe Klippe mit einem sanft abfallenden Rücken – eine geologische Besonderheit, die strategisch nahezu perfekt war: Drei Seiten des Felsens stürzen steil in die Tiefe, nur der Osten bietet einen begehbaren Zugang. Kein Wunder also, dass dieser Ort schon früh zum Schutz- und Rückzugsort auserkoren wurde.
Archäologische Funde zeigen, dass der Castle Rock bereits vor über 2800 Jahren besiedelt war. Erste Spuren deuten auf Rundhäuser hin, die auf dem Plateau errichtet wurden. Seit dem 2. Jahrhundert nach Christus ist eine kontinuierliche Besiedlung nachweisbar – ein beeindruckendes Zeugnis menschlicher Ausdauer und strategischer Weitsicht. Wann genau sich auf diesem Felsen erstmals eine Burg erhob, liegt im Nebel der Geschichte. In einem alten keltischen Epos taucht im 7. Jahrhundert der Name „Din Eidyn“ auf – möglicherweise ein früher Hinweis auf Edinburgh. Gewissheit besteht erst mit einem Eintrag aus dem Jahr 1093, als die Burg in einer Chronik im Zusammenhang mit dem Tod von König Malcolm III. erwähnt wird. Das älteste noch erhaltene Gebäude, die St. Margaret’s Chapel, stammt ebenfalls aus dieser Zeit.
Die folgenden Jahrhunderte waren von Belagerungen, Zerstörungen und Wiederaufbauten geprägt. Die Burg wechselte während der schottischen Unabhängigkeitskriege mehrfach den Besitzer. Mal eroberten die Engländer das Bollwerk, mal holten sich die Schotten ihre Festung mit List und Mut zurück. Der wohl berühmteste dieser Siege gelang Sir William Douglas im Jahr 1341. Aus den Ruinen ließ König David II., Sohn des legendären Robert the Bruce, die Burg neu errichten. Später wurde sie unter der Herrschaft der Stuarts zu einem der wichtigsten königlichen Sitze des Landes. Auch Maria Stuart lebte hier – bis zu ihrer Inhaftierung und erzwungenen Abdankung.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde Edinburgh Castle immer wieder in Kämpfe verwickelt – 1571, 1640, 1650, 1689 und zuletzt 1745 während des Jakobitenaufstands. Jede Auseinandersetzung hinterließ Spuren: Mauern wurden eingerissen, Türme gebaut, Hallen erweitert. Heute gleicht die Burg einer steinernen Chronik, in der sich die Architektur fast jedes Jahrhunderts seit 1200 widerspiegelt. Selbst moderne Gebäude der britischen Armee sind Teil des Ensembles – denn Edinburgh Castle ist auch heute noch Militärstützpunkt.
Neben der Geschichte locken kleine Traditionen und große Spektakel Besucher aus aller Welt an. So wird jeden Tag – außer sonntags – Punkt 13 Uhr die One O’Clock Gun abgefeuert. Einst diente die Kanone den Seefahrern im nahen Hafen zur Zeitjustierung ihrer Chronometer, heute begeistert sie Touristen als Teil des täglichen Rituals. Auch die Mons Meg – eine gewaltige Kanone aus dem 15. Jahrhundert mit einem halben Meter Kaliber – sorgt für staunende Blicke. Und wenn im August die Esplanade zur Bühne des Edinburgh Military Tattoo wird, wenn Dudelsäcke ertönen und Tänzer im Takt der Trommeln wirbeln, verwandelt sich der Burgberg in eine weltberühmte Open-Air-Arena voller schottischer Seele.
Nicht zu vergessen: Der sagenumwobene Stone of Scone, auf dem einst Könige gekrönt wurden, lag bis 2024 in den ehrwürdigen Hallen des Castles – ein Symbol für Macht, Geschichte und nationale Identität. Mit rund zwei Millionen Besuchern jährlich zählt Edinburgh Castle nicht nur zu den meistbesuchten Attraktionen Großbritanniens, sondern auch zu jenen Orten, an denen Vergangenheit spürbar lebt – dramatisch, majestätisch und voller Geschichten.