
Eingebettet in die sanften Hügel Cornwalls liegt ein Ort, der wirkt wie ein fremder Planet – und gleichzeitig wie eine Reise in die Zukunft unserer Erde: das Eden Project. Was heute wie eine botanische Utopie anmutet, entstand aus einer visionären Idee und einer staubigen Kaolingrube. Inmitten dieser einst leblosen Grube, nahe dem kleinen Ort Bodelva, ließ der Archäologe und Unternehmer Tim Smit ab 1995 seinen Traum sprießen – im wahrsten Sinne des Wortes. Sechs Jahre später, am 17. März 2001, öffnete das Eden Project erstmals seine Pforten. Was die Besucher seitdem erwartet, ist ein botanisches Schauspiel, wie man es sonst nur in fernen Ländern oder Science-Fiction-Filmen zu sehen bekommt.
Zwei riesige Gewächshauslandschaften dominieren das Gelände, das sich über 50 Hektar erstreckt. Ihre futuristische Wabenstruktur aus Hunderten sechseckiger ETFE-Folienkissen glitzert in der Sonne wie die Schuppen eines überdimensionalen Insekts. Es sind keine gewöhnlichen Gewächshäuser – es sind geodätische Kuppeln, architektonische Wunderwerke, die in ihrer Größe und Form einzigartig auf der Welt sind. Entworfen vom britischen Architekturbüro Nicholas Grimshaw, mit Tragwerksplanung von Anthony Hunt und realisiert mit deutschen Firmen, überspannen diese stützenlosen Konstruktionen eine Fläche von 23.000 Quadratmetern. Manche Kuppeln ragen bis zu 50 Meter in den Himmel und wirken dabei fast schwerelos.
Doch so beeindruckend die Architektur auch ist, das Herz des Eden Projects schlägt anderswo – in der üppigen, vielfältigen Pflanzenwelt, die darin gedeiht. Im größeren der beiden Biome entfaltet sich eine feuchte, tropische Dschungellandschaft mit hoch aufragenden Palmen, üppigem Unterholz und einer Luftfeuchtigkeit, die einem sofort auf die Haut schlägt. Das kleinere Biome entführt Besucher in die trockeneren, aber nicht weniger faszinierenden Klimazonen der Welt: mediterrane Landschaften, kalifornische Hügel, südafrikanische Fynbos-Vegetation. Insgesamt beherbergt das Eden Project rund 100.000 Pflanzen aus etwa 5.000 Arten – viele davon Nutzpflanzen, die die Grundlage menschlicher Zivilisationen bilden. Hier wachsen Kaffee, Bananen, Kakaobäume, Oliven und Baumwolle – aber auch seltene und vom Aussterben bedrohte Sorten, deren Erhalt von unschätzbarem Wert ist.
Und genau darum geht es: Das Eden Project ist nicht einfach ein Ort zum Staunen. Es ist ein lebendiges Manifest für Nachhaltigkeit, Biodiversität und die fragile Beziehung zwischen Mensch und Natur. Die Besucher erfahren nicht nur die Namen der Pflanzen, sondern auch ihre Herkunft, ihren Nutzen und ihre Rolle in unserem Ökosystem. Jeder Baum, jede Blüte erzählt hier eine Geschichte – und jede Geschichte mahnt zur Verantwortung. Regelmäßige Ausstellungen, Workshops und Kunstinstallationen greifen das Thema auf und machen deutlich: Naturschutz beginnt mit Wissen und endet hoffentlich in einem Wandel.
Sogar außerhalb der Gewächshäuser ist das Eden Project ein Erlebnis. Die einst kahle Grube wurde mit Liebe und Kreativität in ein blühendes Areal verwandelt, durchzogen von Pfaden, Skulpturen und Gartenlandschaften. Und obwohl der Garten heute bereits beeindruckend ist, bleibt er ein „Work in Progress“ – ständig wird weitergepflanzt, gestaltet, verändert.
Dass dieses Projekt auch kulturell eine Rolle spielt, zeigt nicht nur die Verwendung der spektakulären Kuppeln als Filmkulisse für James Bond, sondern auch das jährlich stattfindende Musikfestival „Eden Sessions“, das seit 2002 Stars und Musikfans nach Cornwall lockt. Einst ein karges Industrieareal, ist das Eden Project heute ein globaler Impulsgeber, ein Ort, der zeigt, wie Wissenschaft, Kunst, Architektur und Umweltbewusstsein auf faszinierende Weise miteinander verschmelzen können. Und wer einmal dort war, verlässt diesen Ort nicht nur mit schönen Bildern, sondern mit dem leisen Gefühl, dass Hoffnung tatsächlich wachsen kann.