Castel del Monte – Achteckiges Bauwunder in Apulien

Castel del Monte
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Versteckt in den sanften Hügeln Apuliens erhebt sich ein Bauwerk, das gleichermaßen Rätsel wie architektonisches Meisterwerk ist: das Castel del Monte. Majestätisch thront es auf einer Anhöhe im Gemeindegebiet von Andria, unweit der Adriastadt Bari. Von außen gleicht es einem steinernen Edelstein, dessen strenge Geometrie – ein perfektes Oktogon – ebenso fasziniert wie irritiert. Acht Türme, ebenfalls achteckig, ragen an den Ecken des Hauptgebäudes empor, symmetrisch, geheimnisvoll und voller Symbolik.

Erbaut wurde das Schloss in der Mitte des 13. Jahrhunderts unter der Herrschaft von Friedrich II., dem Stauferkaiser, der als einer der schillerndsten und gebildetsten Herrscher des Mittelalters gilt. Er war nicht nur ein Kriegsherr und Politiker, sondern auch ein leidenschaftlicher Gelehrter, ein Bewunderer antiker Wissenschaften und östlicher Kultur. Das Castel del Monte scheint wie ein Spiegel seines Geistes: mathematisch präzise, ästhetisch anspruchsvoll und voller Anspielungen auf die Macht, Philosophie und vielleicht auch die Spiritualität seiner Zeit.

Was dieses Bauwerk so besonders macht, ist nicht nur seine auffällige Form, sondern auch die Frage nach seinem eigentlichen Zweck. War es ein Jagdschloss? Ein Denkmal der kaiserlichen Macht? Oder gar ein steinernes Manifest mittelalterlicher Philosophie? Keine dieser Deutungen konnte bis heute abschließend bewiesen werden – und genau das macht seinen Reiz aus. Es fehlen typische Merkmale einer Wehranlage wie Schießscharten, Gräben oder Verteidigungsanlagen. Stattdessen findet man feine Details wie kunstvoll gearbeitete Portale, aufwendige Wasserleitungen, Toilettenräume und ein durchdachtes Raumkonzept, das den Besucher lenkt, fast wie durch ein Labyrinth.

Der Innenhof, ebenfalls achteckig, ist das Herz des Schlosses. Von hier aus gelangt man in die verschiedenen Räume, die sich über zwei Stockwerke verteilen. Der Zugang ist jedoch raffiniert geregelt: Nicht jeder Raum ist von überall aus erreichbar, einige nur über bestimmte Korridore. Zwei Räume, in denen noch Spuren der einst prachtvollen Mosaikböden zu erkennen sind, verfügen über eigene Sanitäreinrichtungen. Auch die Fenster unterscheiden sich deutlich: Während das Erdgeschoss einfache Monoforien zeigt, öffnen sich oben gotisch anmutende Biforien und ein prunkvolles Triforium zur Landschaft – ein Spiel von Licht, Ausblick und Symbolik.

Besonders eindrucksvoll ist das Eingangsportal. Es vereint Einflüsse verschiedenster Kulturen – römische, gotische und islamische Stilelemente verschmelzen hier zu einem Gesamtkunstwerk, das den universellen Geist Friedrichs II. widerspiegelt. Sogar ein raffiniert versteckter Schlitz für ein Fallgitter zeugt von einem feinen Gespür für Inszenierung und Schutz gleichermaßen. Die symbolische Deutung der Architektur wird zusätzlich durch interessante astronomische Details angereichert: So soll der Schatten im Innenhof zu bestimmten Jahreszeiten exakt auf architektonische Maße abgestimmt sein – ob absichtlich oder Zufall, bleibt offen.

Nach Jahrhunderten relativer Vernachlässigung begann ab dem 18. Jahrhundert die Wiederentdeckung dieses faszinierenden Baus. Zwei junge deutsche Architekten, Schulz und Hallmann, legten im 19. Jahrhundert erstmals systematische Pläne vor. Später folgten Restaurierungen, die das Schloss in seinem äußeren Glanz wiederherstellten – nicht ohne dabei auch Spuren der Vergangenheit zu übertünchen.

Heute ist das Castel del Monte nicht nur UNESCO-Weltkulturerbe, sondern auch ein Symbol für die Verbindung von Kunst, Wissenschaft und Macht im Mittelalter. Es ziert die Rückseite der italienischen 1-Cent-Münze und diente als Vorbild für das düstere „Aedificium“ in Umberto Ecos „Der Name der Rose“. Und obwohl wir heute mehr über seine Maße und Materialien wissen als je zuvor, bleibt es in seinem Innersten eines: ein geheimnisvoller Ort voller Geschichten, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.

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