Caernarfon Castle – Eine stille Zeugin vergangener Jahrhunderte

Caernarfon Castle
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Im Nordwesten von Wales, dort, wo das Land an die Menaistraße grenzt, erhebt sich majestätisch die Burgruine Caernarfon Castle. Heute eine stille Zeugin vergangener Jahrhunderte, war sie einst Symbol unerschütterlicher Macht und Herrschaftsanspruch. Ihre Mauern erzählen von Königen, Kriegen und kulturellem Wandel, von römischer Vergangenheit, walisischem Widerstand und englischem Größenwahn.

Die Lage dieser gewaltigen Festung war nicht zufällig gewählt. Direkt gegenüber der fruchtbaren Insel Anglesey gelegen, kontrollierte Caernarfon zusammen mit Beaumaris Castle eine der wichtigsten Wasserstraßen des Landes. Diese Kontrolle war entscheidend, denn Anglesey galt als Kornkammer Nordwales – in unruhigen Zeiten eine strategische Trumpfkarte. Bereits die Römer hatten das Potenzial des Ortes erkannt und das nahe Kastell Segontium errichtet. Eduard I., der englische König mit großem Expansionsdrang, nutzte dieses historische Erbe, um an gleicher Stelle eine neue, beeindruckende Burg zu errichten – als Bollwerk gegen den walisischen Widerstand und als Machtdemonstration gegenüber einem lange widerspenstigen Land.

Die erste Version der Burg, eine einfache Motte, entstand schon um 1090, doch erst Eduards Pläne verliehen Caernarfon seine heutige, imposante Form. Nach einem Feldzug im Jahr 1283 ließ der König die bestehende walisische Siedlung dem Erdboden gleichmachen und begann sofort mit dem Bau der neuen Stadt und Burg. Die Menschen, die hier lebten, wurden kurzerhand vertrieben. Caernarfon sollte keine gewöhnliche Festung werden, sondern Hauptstadt eines neuen, englisch dominierten Wales. Eduards Wunsch, seinem Sohn in dieser Burg das Licht der Welt erblicken zu lassen – was 1284 auch geschah – unterstrich den symbolischen Anspruch. Als der kleine Prinz später als erster englischer „Prince of Wales“ eingesetzt wurde, war das ein politisches Statement in Stein gemeißelt.

Die Bauarbeiten, geleitet vom renommierten Architekten James of St. George, verliefen in mehreren Etappen. Doch selbst die massiven Mauern konnten nicht verhindern, dass die Burg 1294 von aufständischen Walisern gestürmt und zerstört wurde. Erst mit Nachdruck und neuen Mitteln wurde Caernarfon wiederaufgebaut und bis 1330 weiter ausgebaut – auch wenn nie alle Pläne vollendet wurden. Rund ein Drittel des Budgets für Eduards walisische Burgen floss in dieses eine Projekt, das letztlich doch nie zur königlichen Residenz wurde. Stattdessen diente die Burg meist als Festung und Lager.

Trotzdem blieb Caernarfon durch die Jahrhunderte bedeutsam. Während der Rebellion von Owain Glyndŵr konnte sie allen Angriffen trotzen, im englischen Bürgerkrieg wechselte sie mehrfach die Seiten. Zwar verfiel sie danach zunehmend, doch im 19. Jahrhundert entdeckte man ihren Wert als nationales Symbol wieder. Restaurierungen machten sie zur Kulisse für große Zeremonien: 1911 wurde hier Prinz Eduard in sein Amt als Thronfolger eingeführt, 1969 folgte Prinz Charles – beides Ereignisse mit weltweiter Aufmerksamkeit.

Architektonisch ist Caernarfon ein Meisterwerk. Ihre Form erinnert an eine Sanduhr, ihre Mauern bestehen aus grauem Kalkstein, durchzogen von roten Sandsteinstreifen – ein deutlicher Hinweis auf die Vorbilder aus Byzanz. Anders als die meisten Burgen ihrer Zeit verzichtete man hier auf runde Türme. Stattdessen zieren polygonale Türme das Bild – sieben große, zwei kleinere. Besonders beeindruckend ist der Eagle Tower mit seinen drei steinernen Adlern auf den Türmchen: ein Sinnbild königlicher Dominanz. Über 28 Meter hoch, mit Wohnräumen, einem eigenen Zugang zum Fluss und steinernen Zinnen, erhebt sich der Turm wie eine Krone am westlichen Ende der Burg.

Heute steht Caernarfon Castle nicht mehr für Unterwerfung, sondern für Geschichte und kulturelles Erbe. Zusammen mit anderen Burgen in Nordwales wurde sie 1986 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Besucher aus aller Welt wandern durch ihre Hallen, betrachten die mächtigen Mauern und lassen sich von ihrer Geschichte beeindrucken – einer Geschichte von Macht und Pracht, Krieg und Wandel, die man noch heute zwischen ihren Steinen spüren kann.

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