Hunsrückisch in Brasilien

Hunsrückisch in Brasilien
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„Brasilioonisch“ – so würde der ausgewanderte Hunsrücker die portugiesische Sprache Brasiliens nennen. Denn er spricht Riograndenser Hunsrückisch.
Kein Scherz: Zu Ehren dieser Spezial-Sprache wurde eine Facebook-Gruppe ins Leben gerufen, die inzwischen knapp 2000 Follower zu verzeichnen hat. Und in der Tat ist die Variante des teilweise im Hunsrück gesprochenen Dialekts in Südbrasilien kein skurriles Hirngespinst, sondern eine Minderheitensprache deutscher Einwanderer.

Diese gehen „botschen“, statt Boccia zu spielen, sie „brigen“, wenn sie raufen – und auf’s Brot gibt es „Chimia“, Marmelade. Bereits vor 200 Jahren wurde der Dialekt mitgebracht, und zwar vor allem in den Bundesstaat Rio Grande do Sul, dem die einzigartige linguistische Kombination ihren Namen verdankt. Somit sprechen im Land des Fußballs heute fast zwei Millionen Menschen diese Sprachversion, teilweise wurde sie sogar als zweite Amtssprache anerkannt, Kindern wird sie hier und da in der Schule gelehrt, in mehreren Lokalzeitungen erscheint eine eigene Hunsrückseite, drei Lokalradios bringen mehrere Sendungen auf Hunsrückisch. In einem Nachbarbundesstaat wurde der Dialekt als zweite Amtshilfssprache etabliert; dort wird im Unterricht sowie im öffentlichen Dienst Portugiesisch wie auch Hunsrückisch gesprochen.

Die brasilianische Dialekt-Initiative macht sich seit Jahren für das „Hunsrückische“ stark, das im Laufe der Zeit allerdings an die Aussprache des Portugiesischen angeglichen wurde, um die Schreibweise mit der Orthografie in den lateinamerikanischen Gebieten zu harmonisieren – mit dem Effekt, dass das brasilianische Hunsrückisch von dem in Deutschland gesprochenen immer weiter abweicht und das Hochdeutsch in den Hintergrund tritt. Der Sprachwissenschaftler Cléo Altenhofen plädiert für eine mehr an der deutschen Schreibweise orientierte Dialekt-Orthografie. Die Initiative folgt dabei dem Gedanken, dass Kinder deutscher Einwanderer nicht missen sollen, in ihrer Muttersprache alphabetisiert zu werden.

Bemerkenswert unterm Strich ist ganz gewiss: Die brasilianische Toleranz gegenüber gänzlich fremden Dialekten. Denn so viel kann man auch als Nicht-Brasilianer wohl behaupten: Portugiesisch und Hunsrückisch dürften in etwa so viel gemeinsam haben wie der südamerikanische Karneval und eine westdeutschen Prunksitzung.

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